Fazit von „Vorbehalte unbegründet “

Vorbehalte unbegründet

Die Mittweidaer Wirtschafts- und Entwicklungsgesellschaft mbH hatte in Zusammenarbeit mit dem Verein Arbeit und Toleranz e.V. am 22.09.2023 zur Veranstaltung „Vorbehalte unbegründet “ herzlich eingeladen. Die Veranstaltung fand in den Räumlichkeiten der MWE (Mittweidaer Wirtschafts- und Entwicklungsgesellschaft mbH) TechnologiePark Mittweida GmbH, Leipziger Str. 27 in 09648 Mittweida statt. Sie war in der Veranstaltungsserie des Unternehmerstammtisches eingebunden.

Der Verein Arbeit und Toleranz e.V. aus Mittweida hatte sich an diesem Tag zum Ziel gesetzt, Mittweidaer Unternehmen über die Möglichkeiten bei der Einstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen zu informieren. Viele regionale Unternehmen klagen derzeit über Personalmangel und suchen neue Wege zur Schaffung, Erhalt und Sicherung von Arbeitskräften. Antje Ebermann eröffnete als Vereinsvorsitzende die Veranstaltung und freute sich als Vertreter der Stadt Mittweida den Beigeordneten Herrn Holger Müller zu begrüßen, der ein Grußwort des Bürgermeisters überbrachte. Darin wurde deutlich, dass sich auch die Stadtverwaltung als Arbeitgeber mit diesem Thema auseinandersetzen muss. Als weitere Gäste hieß Frau Ebermann die Landtagsabgeordnete Frau Iris Firmenich, den Geschäftsführer der MWE Herrn Matthias Eberlein sowie zahlreiche Vertreter aus regionalen Unternehmen willkommen. Frau Ebermann stellte den Gästen die Dozenten der Veranstaltung vor. Dazu gehörten zwei Vertreterinnen des Integrationsamtes, ein Vertreter der EAA (Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber), eine Vertreterin des EutB (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung), eine sehbehinderte Arbeitnehmerin und ein Softwareentwickler aus Chemnitz.

Zu Beginn der Veranstaltung wurden den Gästen zehn gute Gründe vorgestellt, einen Menschen mit Behinderung im Unternehmen einzustellen. Argumente wie zum Beispiel „mit Behinderung geht mehr als man denkt“, „von wegen unkündbar“, „Barrierefreiheit hat viele Gesichter“, „ausgeprägte Loyalität“ oder „kreative Teambildung“ zählten dazu. Dann übergab Frau Ebermann das Wort an Frau Schlegel. Die blinde Vertreterin des EutB schilderte ihren Werdegang. Sie bestätigte viele der vorab aufgezählten Argumente aus eigener Erfahrung und machte eindrücklich deutlich, dass Menschen mit Behinderung durchaus eine sehr gute Schulbildung vorweisen können und in ihrem Berufsleben in der Lage sind, führende Positionen auszufüllen und eigenverantwortlich zu arbeiten. Am Ende der Vorstellung hatten die Gäste die Möglichkeit die Gesprächsnotizen von Frau Schlegel anzusehen. Lesen konnte diese sicher niemand, da die Notizen in Brailleschrift ausgedruckt waren. Doch genau das beeindruckte die Gäste sichtlich.

Danach stellte Frau Ebermann den Gästen Frau Ulrich vor. Die sehbehinderte junge Frau stellte dem Publikum zu Beginn ihrer Ausführungen ohne Umschweife eine Frage: „Können Sie eigentlich lesen und schreiben?“. Verblüffte Blicke waren die Reaktion der Anwesenden. In der Vorstellung ihres persönlichen Werdeganges erklärte Frau Ulrich dann ihre Anfangsfrage. Sie machte klar, wie es sich anfühlt, wenn man in seiner Bewerbungsvita das abgeschlossene Abitur stehen hat und im Vorstellungsgespräch genau diese Frage gestellt bekommt. Sie erklärte den Gästen einige ihrer Hilfsmittel, die ihr zur Verfügung stehen, um im Job bestehen zu können. Dazu gehörten zum Beispiel eine spezielle Vergrößerungslupe und eine Ansager für die Abfahrtszeiten der Züge. Sie fand eine gute Überleitung zur nächsten Dozentin, indem sie die Finanzierungsmöglichkeiten der Hilfsmittel über das Integrationsamt erläuterte.

Im Anschluss an die überzeugenden Darstellungen der beiden Frauen war die Vertreterin des Intergrationsamtes Frau Harig-Sonnenberg an der Reihe. Sie erklärte die Struktur und Zuständigkeit des Integrationsamtes und dessen Möglichkeiten der Unterstützung von Arbeitgebern an Best-Practice-Beispielen. Auch der Vertreter der einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber Herr Wiener stellte sich den Fragen der Unternehmer. Die anschließende Pause gab allen Beteiligten eine gute Gelegenheit zum direkten Austausch. Rege Unterhaltung prägte das Bild und viele Fragen wurde im 1-1-Gespräch beantwortet. Einige Fehlinformationen und Vorbehalte gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung konnten aus dem Weg geräumt werden, vor allem an Beispielen von Menschen mit Handicap, die am Arbeitsmarkt erfolgreich tätig sind. Frau Firmenich äußerte sich sehr nachdenklich, dass wohl nach der Schulausbildung für die meisten Menschen mit Behinderung eine Tortour in Bezug auf Ausbildung, Studium und Arbeit beginnt.

Nach der Pause stellte Frau Ebermann sehr emotional eine Projektidee des Vereines Arbeit und Toleranz e.V. vor. Das im Aufbau befindliche Projekt „Jobomat“ soll eine interaktive Onlineplattform werden, auf der sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Handicap digital kennenlernen sollen. Max Rose stellte als Softwareentwickler den derzeitigen Prototypen vor. Die Onlineplattform kann durch interaktive Bedienung gesteuert werden und soll so den Vorstellungs- und Kennenlernprozess individueller gestalten. An dieser Stelle sollen die Kenntnisse und Fähigkeiten im Vordergrund stehen und die Einschränkungen nicht verschwiegen werden. Man bemerkte schnell, dass viele Dinge, die bis dahin als Problem benannt wurden, in der Entwicklung der Onlineplattform schon eingeflossen sind. Die anwesenden Gäste waren sofort von der Idee beeindruckt. Die gestellten Fragen dazu wurden beantwortet und die neuen Ideen aufgenommen. Der zeitgemäße Charakter der Plattform fand sofort seine Fans.

Mit einem richtungsweisenden und sehr positiven Schlusswort von Frau Ebermann fand die Veranstaltung ein schönes Ende. Sie wies darauf hin, dass Inklusion kein Selbstläufer ist. Viele Berührungsängste müssen überwunden und Vorurteile abgebaut werden. Sie erklärte, dass der Verein regionale Arbeitgeber sucht, die sich bereit erklären, an dem Modellprojekt „Jobomat“ mitzuarbeiten. So soll künftig auf der Plattform die Seite der Arbeitgeber erarbeitet werden, die ihre Praktikumsplätze und Stellenangebote auch Menschen mit Behinderung zugängig machen möchten. Der Geschäftsführer der MWE bat darum, diese überzeugende Veranstaltung in einer zweiten Auflage zu wiederholen, um noch mehr Arbeitgebern die Möglichkeit der Information und Aufklärung anzubieten. Die anwesenden Mitglieder des Vereins Arbeit und Toleranz e.V. zeigten sich über die positive Resonanz und das Feedback der Teilnehmer der Veranstaltung sehr erfreut.

Klar war am Ende der Veranstaltung auf jeden Fall: Wer mit einer Behinderung lebt, lernt mit Problemen umzugehen und findet kreative Lösungen für die Probleme. Das sind Stärken und Qualitäten, die sich unsere regionalen Unternehmen auf keinen Fall einfach so entgehen lassen sollten.

 

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